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THEMAtisch | No20 | Sprache der Politik


"Für einen Politiker ist es gefährlich, die Wahrheit zu sagen. Die Leute könnten sich daran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen." George Bernard Shaw



Einleitung zu Sprache und Politik

Die Sprache ist das wichtigste Mittel der Politik, sie ist untrennbar mit ihr verbunden. Jede politische Handlung muss sprachlich ausgearbeitet und übermittelt werden. Die Aufgaben der Politik wiederum sind die Repräsentation des Volkes und die Umsetzung politischer Ziele, die dem Willen des Volkes entsprechen. Diese Anforderungen an die Politik sind natürlich nur in einem demokratischen Staat gewährleistet, aber auch in Diktaturen, wie im Nationalsozialismus oder im heutigen China, waren und sind die Machthaber darum bemüht, dass Volk auch sprachlich in Schach zu halten.

 

Die Propagandaveranstaltungen in der NS-Zeit waren zum größten Teil Massenveranstaltungen mit dem Ziel Emotionen hervorzurufen, Hass und Aggression gegen die vermeintlichen Feinde zu schüren. Die politische Rede zur damaligen Zeit war volkstümlich und leicht verständlich, es ging keineswegs darum den Hörern kognitive Höchstleistungen abzuverlangen. So wurden dem Volk durch häufiges Wiederholen bestimmte Schlag- und Reizwörter förmlich eingehämmert. Hitler war der "Führer" des Volkes und der Feind war der "jüdische Bolschewismus" oder der "Jude". Es gab eine klare Gegenüberstellung von "Gut und Böse". Das Eindringen von Informationen war und ist in diktatorischen Regimen absolutes Tabu. In der NS Zeit war es bekanntlich nur erlaubt das staatliche Radioprogramm zu empfangen. Wer dagegen verstieß, riskierte sein Leben. Diese einseitige Beeinflussung des Volkes war ein Mittel jegliches Denken zu verhindern, was zu Zweifeln am System hätte führen können. Das Vorenthalten von Information wird auch heute noch in diktatorischen Regimen praktiziert, doch wird das glücklicherweise durch die Verbreitung von Medien erschwert.

 

In demokratischen Staaten ist erklärtes Ziel der Politik, die Meinung des Volkes zu repräsentieren. Je nach Verfassung finden Wahlen in diesen Staaten statt. Die Programme der verschiedenen politischen Parteien, die zur Wahl antreten, werden vor den Wahlen innerhalb von Wahlkampfveranstaltungen, Wahlwerbungen und Auftritten der Politiker in den Medien publik gemacht. Die Medien spielen hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn auch sie können, durch ihre Sprachverwendung bzw. durch ihre Präsentation der Politiker, Meinungen beeinflussen.

 

Besonders in der Zeit des "Wahlkampfes" sind die rhetorischen Künste der Politiker gefordert. Sie müssen die Wähler von ihren Ideen überzeugen, um an die Macht zu gelangen oder sie zu erhalten. Aber auch in Situationen, in denen schwerwiegende politische Entscheidungen getroffen werden müssen, sei es eine wirtschaftliche Krise oder aber ein militärischer Konflikt mit einem anderen Staat, ist die Sprache ein wichtiges Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.

 

Oft wird im politischen Diskurs sprachlicher Missbrauch betrieben. Es werden zum Beispiel "Wahlversprechen" gemacht, die nicht erfüllbar sind, man denke an die "Steuerlüge" der CDU vor den Bundestagswahlen im Jahre 1990. Handelt es sich hier um bewusstes Lügen, wird also mit Absicht gegen die Kommunikationsmaximen verstoßen, die Sprache also ihrem eigentlichen Zweck entfremdet?

 

Auch die sprachliche Behandlung des politischen Gegners zeigt, dass in der Politik anscheinend jedes Mittel recht ist, um die eigene Position in ein gutes Licht zu rücken. Im folgenden will ich zunächst ein paar sprachliche Mittel aufzeigen, derer Politiker sich bedienen, um ihre Ziele zu verfolgen. 


Was bedeutet sprache und politik?

Was genau man unter einer Sprache der Politik oder politischer Sprache versteht, ist auch in der Sprachwissenschaft nicht eindeutig definiert. Grundlegend muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass sich politische Sprache – wie in fast allen anderen Bereichen – in einem Wechselspiel zwischen individuellem Sprachhandeln und kollektiv verbindlichen Regeln des Sprachgebrauchs bewegt. Sie bleibt dabei stets auf den gesellschaftlichen Rahmen bezogen, innerhalb dessen gesprochen oder geschrieben wird. Als logische Schlussfolgerung ergibt sich also mit einem gesellschaftlichen bzw. politischen Wandel ebenso ein Sprachwandel.


Funktion von Sprache und Politik

Sprache ist nicht nur irgendein Instrument der Politik, sondern überhaupt erst die Bedingung ihrer Möglichkeit. Welche Funktionen übernimmt Sprache in der Politik? Welcher sprachlicher Mittel bedienen sich Politiker? Und warum gibt es immer wieder Verständigungsprobleme?

 

Eine der wesentlichen Funktionen politischer Sprache ist wohl die Handlung, die durch einen gewissen Sprechakt vollzogen wird. Der Politiker trifft mit Hilfe seiner Sprachverwendung gewisse Entscheidungen in bestimmten Situationen. Sprache ist – nicht nur Mittel der Politik, sondern es stellt sich die Frage: Ist Politik, d.h. eine „ordnende Gestaltung der menschlichen Beziehungen in einem Gemeinwesen und zwischen verschiedenen Gemeinwesen“ ohne Verwendung von Sprache überhaupt denkbar?


Politik als sprachliches Handeln

Rechtschreibreform, Kernenergie, Klimawandel: Letztlich kann alles politisch werden, was von öffentlichem Interesse ist. Politik umfasst die verschiedensten Sach- und Handlungsbereiche und kann somit alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdringen. Unter diesem weit gefassten Politikbegriff lässt sich auch das Verhältnis von Sprache und Politik betrachten.

 

Politische Akteure müssen die Öffentlichkeit informieren, politisches Handeln begründen, analysieren, kritisieren und rechtfertigen. Sie bewerten bestimmte Sachverhalte positiv oder negativ, stützen die eigene Position argumentativ, stellen sich glaubwürdig dar, greifen die gegnerische Position argumentativ an und werten den Gegner ab. In den Printmedien, im Fernsehen, im Rundfunk und im Internet wird über das politische Tagesgeschehen informiert, werden politische Sachverhalte kommentiert und interpretiert. Dies alles geschieht mit und durch Sprache. Sprache ist darum nicht nur irgendein Instrument der Politik, sondern überhaupt erst die Bedingung ihrer Möglichkeit. Sprache in der Politik bedeutet vor allem sprachliches Handeln. Es ist die Handlungspotenz von Sprache, die für die Politik konstitutiv ist. 


Überredung und Information

Eine zentrale, wenn auch nicht die einzige Funktion politischer Sprache ist 'Persuasion' (=Überredung). Sie bezieht sich auf alle Versuche mit Hilfe sprachlicher Mittel die Meinungen und Einstellungen der Adressaten zu beeinflussen und Vertrauen in die Richtigkeit des Gesagten und den politischen Akteur zu schaffen. Da politische Kommunikation in demokratischen Staaten darauf zielt, Politik öffentlich zu machen, politisches Handeln zu legitimieren und Zustimmungsbereitschaft zu erhalten, ist es für die politischen Akteure unabdingbar, ihr sprachliches Handeln persuasiv auszurichten. Im Idealfall geht Persuasion dabei den Weg überzeugender Argumentation. Die persuasive Funktion findet sich beispielsweise in Debattenreden, politischen Talkshows oder auch in Wahlslogans. Da sich persuasive und informative Funktion oft vermischen, spricht man auch von der 'informativ-persuasiven Funktion' politischer Sprache.

 

Die zentrale Rolle der informativ-persuasiven Funktion macht deutlich, dass Sprachhandeln in der Politik eng mit der Machtfrage verknüpft ist. Es geht um Deutungshoheit und Verwendungshoheit von Sprache. Denn Sprache ist ein Instrument zur Erlangung, Sicherung, Ausübung und Kontrolle von Macht. In einer freiheitlichen Demokratie ist die informativ-persuasive Funktion allerdings keine Einweg-Kommunikation. Sie kennt nicht nur die Kommunikationsrichtung Politikerinnen und Politiker – Bürgerinnen und Bürger, sondern lebt vielmehr auch von der aktiven politischen Partizipation der Bürger. Dazu gehören unter anderem die Beteiligung an Wahlen, die aktive Mitarbeit in Parteien oder Bürgerinitiativen, das regelmäßige Sich-Informieren als notwendige Voraussetzung und Grundlage politischen Handelns und die Fähigkeit und Bereitschaft zur politischen Diskussion. Wenn auch der Sprache in der Politik eine entscheidende Rolle zukommt, so ist sie doch nicht die Politik selbst. Öffentlichpolitische Kommunikation hat sehr viel mit der Erzeugung von Aufmerksamkeit zu tun und weniger mit den tatsächlichen Entscheidungen. Sie flankiert und ergänzt die Politik, sie organisiert und steuert die Bereitschaft, einer bestimmten Politik zuzustimmen. Darstellungspolitik ist eine auf die Öffentlichkeit ausgerichtete Politik, die zum größten Teil medienvermittelt ist. Ihr steht die Entscheidungspolitik gegenüber, die in der Regel nichtöffentlich stattfindet und die bestimmte Verfahren wie zum Beispiel das Gesetzgebungsverfahren beinhaltet. Auch in der Entscheidungspolitik spielt Sprache eine wichtige Rolle, da Entscheidungen erst einmal sprachlich vorbereitet und ausgehandelt werden müssen: etwa durch DISKUTIEREN, VERHANDELN oder FRAGEN und ANTWORTEN.


Merkmale politischer Kommunikation

Öffentlichkeit und Massenmedialität Mit dem Verweis auf die Darstellungspolitik sind auch schon zwei zentrale Rahmenbedingungen bzw. Merkmale politischer Kommunikation angesprochen, die einander bedingen: Öffentlichkeit und Massenmedialität. Politische Kommunikation findet zu einem großen Teil öffentlich statt und wird über die Massenmedien Fernsehen, Presse, Rundfunk und Internet verbreitet. Die Öffentlichkeit als Grundprinzip und Voraussetzung freiheitlicher Demokratie hat einen unmittelbaren Einuss auf das sprachliche Handeln, dessen spezifische Ausprägungen in der heutigen Zeit wesentlich von den Massenmedien mitbestimmt werden. Als Folge von Öffentlichkeit und Massenmedialität ist sprachliches Handeln oft 'mehrfach adressiert', also an mehrere Personengruppen gleichzeitig gerichtet. So kann sich beispielsweise eine Rede im Bundestag gleichzeitig an die Mitglieder der eigenen Partei, an die Mitglieder der anderen Parteien und an die Bürgerinnen und Bürger richten. Die massenmediale Ausrichtung politischer Kommunikation bringt zudem spezifische mündliche Interaktions-Typen hervor. Der heutige Prototyp eines solchen Interaktionstyps ist die im Fernsehen ausgestrahlte politische Talkshow. Sie bietet den politischen Akteuren Gelegenheit, sich vor einem Millionenpublikum dem politischen Wettbewerb zu stellen, eigene Positionen zu vermitteln und sich als Person zu profilieren.

 

Die Ausrichtung auf ein Massenpublikum hat zur Folge, dass politisches Sprachhandeln inszeniert wird. Die Teilnehmer einer politischen Talkshow kommunizieren faktisch mit zwei Personengruppen bzw. Adressaten. Erstens kommunizieren sie direkt mit den anderen Gästen bzw. der Moderatorin oder dem Moderator. Zweitens kommunizieren sie indirekt aber auch mit den Fernsehzuschauern. Es entstehen somit zwei Kommunikationsebenen, die den 'Inszenierungscharakter' politischen Sprachhandelns deutlich machen. Was auf der ersten (inszenierten) Ebene als Diskussion erscheint, stellt sich auf der zweiten Ebene als Persuasion der Öffentlichkeit dar. Der Einuss der Massenmedien auf politisches Handeln wird oft auch kritisch mit den Stichworten 'Politainment' oder 'Mediokratie' umschrieben.

 

Die öffentliche Ausrichtung der politischen Kommunikation hat auch zur Folge, dass die sprachlichen Anforderungen an die politischen Akteure steigen. Sobald sie in der Öffentlichkeit auftreten, wird das Gesagte einer ständigen Beobachtung und Kontrolle unterzogen. Sie müssen ihre Botschaften exakt, prägnant und verständlich übermitteln. Oft entsteht daher der Eindruck, dass sie – mediengerecht verpackt – immer die gleichen Phrasen und Worthülsen von sich geben. Mediale Erfahrung und rhetorische Geschultheit gehören somit zu den Kernkompetenzen politischer Akteure. 


Gruppenbezogenheit und Repräsentanz

Neben Öffentlichkeit und Massenmedialität sind Gruppenbezogenheit und Repräsentanz wichtige Merkmale öffentlich-politischer Kommunikation. Politische Kommunikation ist geprägt durch Wettbewerb und die Konfrontation der Meinungen. Die politischen Akteure stellen sich dem Wettbewerb mit dem politischen Gegner, wobei sie in der Regel als Repräsentanten bestimmter Gruppen, Parteien oder Verbände agieren. Grob gesagt lassen sich, je nach Standpunkt, eine positiv bewertete Eigengruppe und eine negativ bewertete Fremdgruppe unterscheiden. Die Mitglieder der Eigengruppe besitzen gleiche Deutungs- und Interpretationsmuster, die ein gruppenspezisches Bewusstsein konstituieren. Alles, was in Zusammenhang mit der Eigengruppe steht, wird als positiv bewertet. Alles, was von den Einstellungen der Eigengruppe abweicht, wird hingegen als negativ bewertet.

 

In dem Gegensatz von Eigen- und Fremdgruppe zeigt sich das für politisches Handeln oft typische Schwarz-Weiß-Denken. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe hat Auswirkungen auf das sprachliche Handeln und die Erwartungshaltung der Adressaten. Von Politikern wird erwartet, dass sie bestimmte kommunikationsethische Maximen erfüllen. Sie sollen etwa die Wahrheit sagen, klar und verständlich reden und fair sein. Gleichzeitig müssen sie aber auch strategische Maximen verfolgen: den Gegner abwerten, die eigene Position positiv darstellen, sich in relevanten Gruppen möglichst wenig Gegner machen.

 

Kommunikationsethische und strategische Maximen können in Konflikt treten. Etwa wenn Politiker sich aus wahltaktischen Gründen bewusst vage ausdrücken, um sich nach der Wahl Koalitionsoptionen offen zu halten. Als ähnlich problematisch erweist sich auch das Versprechen in Form eines (strategischen) Wahlversprechens. Die Wähler wissen sehr wohl, dass es sich in Wirklichkeit um gar kein Versprechen handeln kann. Zum Versprechen gehört nämlich notwendigerweise, dass wer etwas verspricht, auch in der Lage sein muss, das Versprechen einzulösen. Verspricht ein Politiker aber vor der Wahl Steuersenkungen, kann er oder sie sich nach der Wahl auf den Standpunkt zurückziehen, die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ließen nun keine Steuersenkungen mehr zu.


ZITATE der sprache und politik

 

"Die Menschen des Abgrundes sind Bausteine, die für das Gebäude der Gesellschaft unbrauchbar sind." Jack London

 

"In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn es doch passiert, war es so geplant." Franklin Delano Roosevelt

 

"Wahrhaftigkeit und Politik wohnen selten unter einem Dach." Marie Antoinette

 

"Für einen Politiker ist es gefährlich, die Wahrheit zu sagen. Die Leute könnten sich daran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen." George Bernard Shaw

 

"Die Sprache der Politik ist mit der Sprache der Werbung, der Öffentlichkeitsarbeit und des Showbusiness verschmolzen. Das, was Nachrichtenwert hat, was in die Schlagzeilen kommt, was in der Öffentlichkeit oder im Wahlkampf zählt, sind die kommunikativen Fähigkeiten, der Stil, mit dem man sich an die Öffentlichkeit wendet, der "Look", das Image, ja sogar die Spezialeffekte: allesamt typische Bestandteile der Sprache der Massenmedien." Gianpietro Mazzoleni 


Quellen: Wikipedia, Ramiro.org, Degruyter.com, Dreifaltigkeit-altdorf.de.