Wenn man bei einem Konzert oder Festival Funkmikrofone auf einer Bühne benutzen möchte, müssen alle Mikrofone auf Frequenzen eingestellt werden, die den Mobil und Staatsfunk nicht tangieren.
FREQUENZMANAGEMENT? und warum das?
Sonnenschein, Camping und gute Musik – das verbinden viele Besucher mit den zahlreichen Open-Air-Festivals, die nahezu an jedem Wochenende zwischen Mai und September stattfinden. Und immer da wo viele Leute zusammenkommen, bedarf es einer perfekten Organisation, um den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung und die Sicherheit der Besucher zu gewährleisten. Damit dies gelingt, bedarf es der permanenten Abstimmung aller an einem solch riesigen Event beteiligten Gewerke wie Security, Logistik, Technik, Catering, Sanitäter, Polizei und Veranstaltungsleitung.
Für die sichere und mobilfunk-unabhängige Kommunikation wird deshalb ein Funknetz installiert, dass nicht nur die Anforderungen der Nutzer hinsichtlich einer Vielzahl unterschiedlicher Rufgruppen erfüllt, sondern auch den Herausforderungen des Geländes Rechnung trägt. So erstreckt sich das funkmäßig abzudeckende Gebiet meist deutlich über das eigentliche Festival-Gelände hinaus und schließt oftmals auch die Zufahrtswege sowie die Park- und Camping-Plätze mit ein. Um dies alles zu gewährleisten wird eine individuell abgestimmte Funkinfrastruktur vor Ort errichtet. Diese besteht neben den Hand- und Mobilfunkgeräten in aller Regel aus einem oder mehreren zentral und dezentral aufgebauten Repeatern.
Der Einsatz von Repeatern bei einer Großveranstaltung sorgt nicht nur für eine deutlich verbesserte Reichweite der Funkgeräte sondern bietet darüber hinaus viele organisatorische und sicherheitsrelevante Vorteile. So ist es zum Beispiel möglich mit Tastaturgeräten einen kanalübergreifenden Einzelruf zu tätigen.
Zur Frequenzsituation in Wacken
Festivalbesuchern ist ein guter Mobilfunk-Empfang wichtig: Nur so lässt sich das Erlebte in Videos und Fotos über das Smartphone teilen und auf das Internet und soziale Medien zugreifen. Allerdings ist in Deutschland inzwischen so viel Funkspektrum für die Übertragung mobiler Daten reserviert, dass für Bühnenkünstler, die drahtlose Produktionsmittel wie z.B. Funkmikrofone nutzen, nicht mehr genug Frequenzen übrigbleiben. Gerade wegen der Musik und des Erlebnisses eines Festivals kommen aber die Besucher.
Besonders bei Großveranstaltungen macht sich der Mangel an Funkspektrum bemerkbar. Auch das Wacken Open Air W:O:A, das mittlerweile als das größte Heavy-Metal-Festival der Welt gilt, könnte dadurch ins Wackeln kommen.
Wacken ist ein kleiner, verschlafener Ort in Schleswig-Holstein mit 1.832 Einwohnern. Eher kulturelles Ödland. Es gibt einen Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr und einen gemischten Chor. Aber am ersten August-Wochenende jedes Jahres wird es zum Mekka der Heavy-Metal-Fans. 85.000 Menschen kommen zum Wacken Open Air W:O:A. Für drei Tage muss dann die Infrastruktur einer mittleren Kleinstadt aufgebaut werden.
Die Organisation des Festivals ist eine Mammutaufgabe. Sie umfasst die Buchung der auftretenden Bands sowie die Zusammenstellung der Line-ups. Zur Planung gehört außerdem der Aufbau des Festivalgeländes, des Campingareals und der Verkehrswege, die Unterbringung und Verpflegung der Besucher sowie die Koordination der Sanitäter und der Sicherheitsdienste der Polizei. Das notwendige Material wird von mehr als 2.000 LKW transportiert. Für das Equipment der Bands sind zusätzlich 65 Sattelzüge notwendig.
Inzwischen ist das W:O:A ein Wirtschaftsmotor für die ganze Region. Das Festival beschert jährliche Einnahmen von mehr als 30 Millionen Euro. Seit vielen Jahren unterstützen die Veranstalter die Gemeinde. Unter anderem haben sie eine Million Euro zur Sanierung des Schwimmbads gestiftet und leisten regelmäßig Sachspenden für die Kinder- und Jugendarbeit, zum Beispiel für den örtlichen Kindergarten und die Schule. Den Wert von Wacken haben auch viele Unternehmen erkannt. So hat ein Netzbetreiber im Dorf ein Glasfasernetz installiert.
Ist erst einmal alles aufgebaut, dann spielen an drei Tagen 157 Bands aus der ganzen Welt auf insgesamt acht Bühnen. Mit einem eigenen TV- und Radio-Channel im Internet, Fernsehübertragungen in etablierten TV-Sendern und mit der Aufzeichnung der Konzerte für eine spätere Video- und Tonauswertung wird das Konzert umfassend vermarktet. Nach Angaben der Veranstalter sind diese Vermarktungserlöse trotz Eintrittspreisen von 170 Euro unverzichtbar, um das Ereignis zu refinanzieren. Zur Aufzeichnung werden Systeme mit mehrfacher Ausfallsicherheit eingesetzt, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.
Für die Tonübertragung werden auf den Bühnen sowohl drahtlose als auch drahtgebundene Mikrofone verwendet. Alle Künstler nutzen zudem In-Ear-Systeme. Für die drahtlosen Produktionsmittel werden im Wesentlichen Frequenzen im UHF-Spektrum eingesetzt. Der Berufsverband für professionelle drahtlose Produktionstechnologie (APWPT, Association of Professional Wireless Production Technologies) hat 2015 umfangreiche Messungen zur Belegung des Frequenzspektrums durchgeführt. Der Frequenzscan vor dem Festival zeigt, dass das Spektrum zwischen 470 und 862 MHz mit nur drei TV-Sendern und mit LTE im 800-MHz-Band belegt ist
Dies ändert sich schlagartig, wenn das Festival beginnt. Dann ist das Spektrum so dicht gefüllt, dass keine Lücken mehr verbleiben. Jeder Nutzer muss sich streng an seine Frequenzen halten, um andere nicht zu stören. Das verlangt eine große Disziplin der Toningenieure. Jeder will verhindern, dass er gestört wird oder andere stört, um die Produktionen nicht zu gefährden.
Bauen die Mobilfunkunternehmen in den nächsten Jahren ihre Netze auch im 700-MHz-Band aus (Digitale Dividende 2), geht für die Funkmikrofone und In-Ear-Systeme erhebliches Spektrum verloren. Im Moment weiß noch niemand, wie dieser Verlust kompensiert werden kann.
Mit den beiden Digitalen Dividenden ist das für das terrestrische Fernsehen und die drahtlosen Produktionsmittel nutzbare UHF-Spektrum gegenüber dem vorherigen Zustand auf rund die Hälfte geschrumpft.
Gibt es dazu nicht bald verlässliche Ersatzfrequenzen, die in jedem Fall auch neues Equipment erfordern, ist mit Einschränkungen zu rechnen, weil wieder mehr mit kabelgebundener Ausrüstung gearbeitet werden muss. Der Aufbau der Bühnen und deren Verkabelung wird mehr Zeit in Anspruch nehmen, die Kosten für das Personal werden steigen. Die Umbauzeiten werden länger werden. Die Künstler werden ihre Show darauf abstimmen müssen.
Dabei gibt es bereits für viele Anwendungen Ersatzfrequenzen, die von der der EU Kommission identifiziert und den Mitgliedstaaten zur Umsetzung empfohlen wurden. Sie müssten nur in nationales Frequenzrecht umgesetzt werden. Das wäre sogar kurzfristig möglich, doch in Deutschland und den meisten anderen EU-Staaten handelt die Politik bislang nicht mit der gebotenen Eile und Durchsetzungskraft.
Künstler verdienen heute ihr Geld überwiegend mit Bühnenauftritten. Der Verkauf von CDs ist eingebrochen und die Erlöse aus Streamingdiensten sind kaum der Rede wert. Bei den Konzerten erwarten die Fans aber nicht einfach nur Musik, sondern auch immer aufwendigere Bühnenshows. Die Möglichkeiten der drahtlosen Produktionstechnik sind dafür unverzichtbar. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass sich die Künstler überall auf der Bühne und im Publikum bewegen können und dass die vielen Bühneneffekte ferngesteuert werden können.
Wacken mit den mobilen LTE-Basisstationen und dem nahezu unbegrenzten Zugang zum Internet einerseits und andererseits den dadurch verursachten Beschränkungen der Künstler und der Produktionen zeigen den Konflikt. Immer mehr Mobilfunk und deshalb immer weniger Frequenzen für drahtlose Produktionsmittel könnten das Ende des W:O:A in seiner heutigen Form sein. Dabei ist Wacken nur ein Einzelbeispiel. Überall in Deutschland sind große Musikfestivals in gleicher Form bedroht – und damit die Kultur- und Kreativwirtschaft eines ganzen Landes. Um diesen bedeutenden Wirtschaftszweig langfristig abzusichern, muss die Politik jetzt handeln und die Frequenzempfehlungen der EU umsetzen.
Autor: Helmut G. Bauer / Save our Spectrum – Initiative zur Sicherung von Funkspektrum für die Kultur- und Kreativwirtschaft
Quellen: Youtube und Wikipedia